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Polarlichter zur Weihnachtszeit zu fotografieren ist ein wunderbares Projekt. In den Lyngenfjorder Alpen hoch im Norden von Norwegen ist es zu Weihnachten und über den Jahreswechsel recht einsam. Die Sommerhäuser strahlen zwar weihnachtlich geschmückt, stehen aber leer und geben damit ihrem Namen alle Ehre.
In dieser Zeit erreicht die Sonne beim Aufgang nicht mehr den Horizont und es ist nur rund zwei Stunden über die Mittagszeit etwas heller, bevor schnell die Blaue Stunde schlägt.
Für das Fotografieren von Polarlichtern sind das gute Voraussetzungen. Der Lyngenfjord liegt bereits fast am 70sten Breitengrad also nahe an den polaren Magnetfeldtrichtern, durch die das Plasma des Sonnenwindes (vor allem Wasserstoff- und Heliumionen nebst freien Elektronen) bis zur Erdatmosphäre vordringen kann, da die Magnetfeldtrichter hier die Atmosphäre nicht nur erreichen sondern auch durchdringen. Je nach Geschwindigkeit des Sonnenwindes und Anzahl der Sonnenwindionen können diese nun Stickstoff- und Sauerstoffatome der Hochatmosphäre anregen und so Leuchterscheinungen am Himmel generieren, die allgemein Polarlichter genannt werden. In den Nordpolregionen heißen sie auch Nordlichter bzw. Aurora Borealis und am Südpol entsprechend Südlichter oder Aurora Australis.
Polarlichter treten in verschiedenen Farben auf. Werden Sauerstoffatome in rund 100 km Höhe angeregt, dann senden sie grünes Licht (557,7 nm Wellenlänge) aus. Da die Empfindlichkeit menschlicher Augen im grünen Bereich am höchsten ist, werden Polarlichter überwiegend in dieser Farbe wahrgenommen. Werden Sauerstoffatome allerdings bereits in 200 km Höhe angeregt, so emittieren sie auch rotes Licht (630,3 und 636,3 nm). Bei starkem Sonnenwind werden auch Stickstoffatome angeregt, die dann violettes bis blaues Licht (427,8 nm und 391,4 nm) erzeugen.
Was tatsächlich gesehen wird, hängt stark von der Intensität, dem Grad der Dunkelheit und dem Farbauflösungsvermögen der eigenen Augen ab. Speziell zu Beginn des Auftretens von Polarlichtern ist es möglich, dass keine Farben wahrgenommen werden. Doch wie unterscheidet man in diesen Fällen dann Polarlichter von Wolken? Hilfreich ist hier die Geometrie, da Polarlichter in parallelen Bändern vom Nord- bzw. Südpol in Richtung Äquator wandern und sich so deutlich von Wolkenformationen unterscheiden. Sieht man solche Strukturen am Himmel, die farblos wirken, dann helfen die Sensoren moderner Digitalkameras, die den blassweißen Strukturen ihre Farbanteile zu entlocken vermögen, so dass man auch bei schwachen Erscheinungen zumindest bei der Betrachtung der Aufnahmen die ganze Farbenpracht sieht.
Die folgenden Fotos zeigen z.B. die anfänglichen Bandstrukturen, die sich im Laufe der Wanderung vor dem Sternenhimmel in mächtige rote, grüne und blauviolette Strukturen auflösen.
Die Aufnahmen von Polarlichtern müssen sorgfältig vorbereitet werden, "Schnappschüsse" dürften eher die Ausnahme sein. Den o.g. Aspekten ist ja bereits zu entnehmen, dass die Chancen auf gute Aufnahmen steigen, wenn man weit in den Norden der Erde reist. Island, Norwegen und Finnland bieten z.B. "gute" Breitengrade für solche Fotoprojekte - auch wenn entsprechende Lichterscheinungen weiter südlich bis nach Deutschland beobachtet werden können. Die Beispielaufnahmen entstanden am Lyngfjord in der Nähe des 70sten Breitengrades in Norwegen.
Ist das "wo" bekannt, muss als Nächstes das "wann" beantwortet werden. Starke Sonnenfleckenaktivität ist eine gute generelle Voraussetzung aber zur präziseren Prognose für das Auftreten von Polarlichtern hilft erst der sogenannte KP-Index (planetarische Kennziffer), der auf einer Skala von 0 (geringe Aktivität) bis 9 (hohe Aktivität) ein Maß für die geomagnetische Aktivität ist. Durch ein weltweites Netz von geomagnetischen Beobachtungsstationen wird er aufgezeichnet, in Echtzeit zur Verfügung gestellt und archiviert - z.B. vom Adolf-Schmidt-Observatorium für Erdmagnetismus des Deutschen Geoforschungszentrums in Potsdam.
Sowohl für Apple- als auch Android-Smartphones gibt es entsprechende Apps (z.B. unter dem Begriff "Aurora" zu finden), die nicht nur den KP-Wert anzeigen sondern noch weitere Parameter, die für die Prognose des wahrscheinlichen Auftreten von Polarlichtern nützlich sind. Ab einem KP-Wert von 4 ist es z.B. wahrscheinlich, dass Polarlichter gesehen werden können und die KP-Wert-Prognose zeigt zudem den optimalen Zeitpunkt in der Nacht ( bzw. Dunkelheit). Manche Apps verfügen auch über einen Auroraalarm, so dass man sich bequem mit zeitlichem Abstand zum Ereignis benachrichtigen lassen kann. Bei den gezeigten Beispielaufnahmen wurde ein KP-Wert von 4 für 22:00 Uhr am 25.12.2021 prognostizieren und mit dem Auftreten von Polarlichtern sollte ab 09:00 Uhr gerechnet werden können - hat gestimmt.
Ein guter KP-Wert ist das eine, eine gute Sicht auf einen sternenklaren Himmel ist natürlich der andere wesentliche Aspekt, so dass neben einem passenden KP-Wert eine gute Wetterprognose für die geplanten Aufnahmen Voraussetzung ist.
Zur Ausrüstung gehört neben einem guten Stativ, einem lichtstarken Weitwinkel mit möglichst kurzer Brennweite sowie einer digitalen Kamera mit möglichst rauscharmen Sensor bei höheren ISO-Zahlen auch eine Objektivheizung. Schnell beschlagen bei niedrigen Temperaturen die Linsen und es ist nur schwer möglich, einen guten Aufnahmerhythmus zu erzielen, Zeitrafferaufnahmen oder Filme zu erstellen, wenn man dabei ständig die Linsen klären muss.
Sinnvoll ist es, den Ort der Aufnahme schon im Hellen auf Eignung zu prüfen und ggf. Aufnahmen der Komposition im Hellen anzufertigen, die man dann ggf. mit den Aufnahmen der Polarlichter im Dunkeln im nachhinein kombiniert. Das haben wir allerdings nicht gemacht, da wir vor allem an den Nordlichtern interessiert waren. Als Aufnahmeformat sollte - falls möglich - RAW gewählt werden, um statt 8 bit wie bei JPEG im RAW-Format mit 12 (16) bit mehr Farben auflösen zu können. Mit dem JPEG-Format werden mit 8 bit nur 256 Farben je Farbkanal (rot, grün und blau) unterschieden, während bei 12 bit schon 4096 und bei 16 bit sogar 65536 unterschiedliche Farbtöne aufgelöst werden. (Die Nikon D850 erfasst z.B. beim Abspeichern im RAW-Format 12-bit-Farben und rechnet sie auf 16-bit hoch. Beim Speichern als JPEG wird das Foto von den aufgenommenen 12 bit auf 8 bit reduziert.)
Ist es nun endlich soweit, man sieht die Polarlichter vor dem Sternenzelt und die Kamera ist aufgebaut und ausgerichtet, dann besteht der nächste Schritt darin, auf die Sterne optimal scharfzustellen, da die Einstellung auf unendlich der Objektivskala gelegentlich nicht zum Erfolg führt. Das von mir hier eingesetzte Weitwinkel hat dabei zwei Vorteile, zum einen eine Einrastung auf eine kalibrierte Unendlichkeitseinstellung und, genauso wichtig, einen Feststellmechanismus gegen versehentliches Verändern der Entfernungseinstellung. Dies kann im Dunkeln leicht geschehen und bei astronomischen Aufnahmen habe ich früher daher das eingestellte Objektiv mit Klebeband fixiert, das fällt bei diesem Objektiv dann weg.
Hat man nun die Sterne scharf eingestellt (bei Einbezug von Objekten im Vordergrund hilft die Hyperfokale Distanz), so ist es wichtig, eine geeignete Belichtungszeit/Blende/ISO-Kombination zu wählen. Auch wenn viele Aufnahmen von Polarlichtern den Eindruck erwecken (insbesondere wenn es sich nicht um Fotos sondern um Bilder handelt, wo der Vordergrund bereits im Hellen aufgenommen und nachträglich mit einem Bildbearbeitungsprogramm eingefügt worden ist), dass die Polarlichter die Nacht zum Tag machen - dem ist nicht so. Es sind häufig schwache Lichterscheinungen, die trotz Offenblende lange Belichtungszeiten erfordern, um die ISO-Zahlen so gering wie möglich zu halten. Allerdings kann man auch nicht beliebig lange belichten, da aus den punktförmigen Sternen auf Grund der Erdrotation Striche werden. Was bei Startrailaufnahmen erwünscht ist, wirkt sich hier eher störend aus. Da hilft ggf. die sogenannte 500er Regel: 500 dividiert durch die Brennweite des Objektives ergibt die längste Belichtungszeit, bei der die Sterne noch als Punkte in der Aufnahme erscheinen. Bei einer Brennweite von 20 mm ergibt sich dann z.B. eine maximale Belichtungszeit von 25 Sekunden. Bei meiner Brennweite von 11 mm ergeben sich dann so 45 Sekunden maximale Belichtungszeit. Die Praxis zeigt schnell, dass diese Faustformel besser mit Testaufnahmen überprüft werden muss. Besser ist es, auch die Eigenschaften der eingestzten Kamera (Sensorgröße, Pixeldichte, Blende) einzubeziehen. Hierzu gibt es wieder nützliche Apps für Smartphones, die genauere Werte errechnen - PhotoPills errechnet z.B. für da hier eingesetzte 11-mm-Objektiv 23 Sekunden, also die Hälfte des Wertes der 500er-Faustformel! Die Beispielaufnahmen wurden alle mit 30 Sekunden aufgenommen, da dies bei ISO 1600 zu guten Ergebnissen geführt hat.
Man muss sich auch im vorhinein überlegen, ob man Fotos von Polarlichtern oder Bildkompositionen erstellen will. Ist Letzteres geplant, sollte man sich für das prognostizierte Wetter/KP-Index-Optimum in der Nacht vor allem in bergigen Regionen mehrere Orte mit ggf. mehreren Kilometern Abstand aussuchen, die aber innerhalb des Zeitfensters gut und sicher erreichbar sind - Polarlichter sind gut prognostizier- aber unberechenbar.
Beeindruckend ist natürlich die Dynamik der Nordlichter, so dass sich als Ergänzung zu fotografischen Aufnahmen auch die Erstellung von Videoaufzeichnungen anbietet. Dabei stößt man nun auf die Schwierigkeit, mit langen Belichtungszeiten und hohen Empfindlichkeiten bei den Einzelaufnahmen arbeiten zu müssen. Will man flüssige Filmsequenzen z.B. im PAL Modus erzeugen, so sind 25 frames pro Sekunde nötig. Im NSTC-Standard sind es gar 30 (29,97) Vollbilder pro Sekunde.
Da blieben für die längsten Belichtungszeiten nur 1/25 Sekunde im Pal- und 1/30 Sekunde im NSTC-Format über. Bedenkt man die o.g. Belichtungszeit der Einzelaufnahmen von 30 s und ISO-Empfindlichkeit von 1600 sieht man, dass dies nicht realisierbar ist. Eine Möglichkeit, dennoch einen Eindruck der Polarlichtbewegung einzufangen, ist die Erstellung von Gifs wie im folgenden Beispiel. Dabei nimmt man bewusst die erkennbaren Übergänge von Bild zu Bild in Kauf.
Erhöht man nun die Anzahl der Einzelaufnahmen und reduziert die Belichtungszeit auf gerade noch mögliche Werte, so zeigt sich der Vorteil des Raw-Formats, denn in der Nachbearbeitung lassen sich so aus den 16 bit Bildern trotz zu niedriger Belichtungszeit noch viele Details und Tonwerte generieren, die bei JPEG-Aufnahmen schon verloren wären. So lassen sich flüssige Videoclips erzeugen.
Das abschließende Video am Ende dieses Beitrags besteht z.B. aus 274 Einzelaufnahmen mit je 8 Sekunden Belichtungszeit, die in Adobe Lightroom nachbearbeitet und als JPEGs exportiert wurden. Das resultierende mp4-Video aus allen JPEG-Aufnahmen komprimiert somit die gesamte Aufnahmezeit von 2192 Sekunden in einem Filmclip von 11 Sekunden und wirkt bereits recht flüssig.
Comments
Sehr gute Beschreibungen und hervorragende Aufnahmen
Sehr gute Informationen zur Entstehung von Polarlichtern, super Beschreibungen der Aufnahmetechniken und hervorragende Aufnahmen, die wahrscheinlich nur durch das unmittelbare persönliche Erlebnis übertroffen werden können.